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[art_1] Brasilien: Von Pinien und Ameisenbären
Deutsche Buntstifte in Minas Gerais

Die dürre Pinie ragt krumm und schief in den blauen Himmel hinauf. "Das war einer der ersten Bäume, die wir hier gepflanzt haben. Damals wussten wir nicht, was daraus wird - heute sind wir schlauer." Jairo Cantarelli hat für das deutsche Unternehmen Faber-Castell die Pinus Caribaea-Pflanzungen in Minas Gerais aufgebaut. Gut 20 Jahre ist das jetzt her und heute ist der Holzexperte mit den angegrauten Haaren der "Wood Division Manager" von Faber-Castell in Brasilien.

Neue Pinien-Pflanzung

Auf 10.000 Hektar pflanzt das fränkische Unternehmen Pinien im südöstlichen Bundesstaat an, genug um täglich gut sieben Millionen Stifte herzustellen. Krumme Kameraden kann man sich hierbei allerdings nicht mehr erlauben. Kräftig gekreuzt und genetisch verbessert habe man in den letzten Jahren, so Jairo, und heutzutage wachsen die Pinien schnurstracks und kerzengrade in die Höhe. Und dazu mit möglichst wenig Ästen. "Wenn der Baum erwachsen ist und gefällt wird, können wir etwa 2.500 bis 3.000 Buntstifte daraus herstellen."

Die den Boden überdeckenden gelben Nadeln dämpfen jeden Schritt im süß duftenden Pinienwald. Nur wenn man auf einen unter der Nadeldecke verborgenen Ast tritt, erfolgt ein trockenes Knacken.

Ansonsten liegt eine paradiesische Stille über den Bäumen, lediglich durchdrungen von entferntem Vogelgeschrei. 178 verschiedene Vogelarten haben die Mitarbeiter von Faber-Castell hier gezählt. Ein Refugium für bedrohte Tierarten ist die Pflanzung, die in der ansonsten kargen Savannenlandschaft des Cerrado, des trockenen Landesinnern, ihres Gleichen sucht. Zudem hat man 36 Säugetier-, 25 Amphibien- und 15 Reptilienarten in den Wäldern gesichtet.

Pinienplantage
für Faber-Castell

"Laut Gesetz müssten wir 20% unserer Fläche als Naturreservat belassen. Doch wir haben es freiwillig auf 32% ausgeweitet", so Jairo. Rund um die Pinienwälder liegt ein Naturgürtel aus wuchernden Wäldern. Hier kann das Wild unbehelligt umherstreunen. Und auch bei der Anpflanzung der Pinien geht man so vor, dass man niemals große Flächen auf einmal abholzt. Im Schachbrettmuster wird gepflanzt - frische Setzlinge wachsen in der Nachbarschaft zu 4-jährigen, 8-jährigen und 15-jährigen Bäumen auf.

"Bisher haben wir stets nach 18 Jahren geschlagen. Doch wir stellen gerade um. Nach 18 Jahren durchforsten wir jetzt, und wir werden diese Anpflanzung bis zum 23. oder 25. Jahr wachsen lassen." Lediglich zwei Baumarten sind für eine kommerzielle Pflanzung im Cerrado geeignet: Eukalyptus und Pinien. Aber Eukalyptusholz macht sich nicht gut als Blei- oder Buntstift. Deshalb entschied man sich für eine tropische Version der Pinie, die Pinus Caribaea.

Gerettete Klapperschlange
Zuchtholz für Stiftproduktion

Nach dem Schlag werden die Baumstämme in das nahe gelegene Sägewerk in Prata, einem 25.000-Seelendorf, gebracht. Danach geht es ein paar hundert Kilometer weiter nach São Carlos, wo 2.400 Beschäftigte das Rohmaterial zu Blei- und Buntstiften weiter verarbeitet: Über zwei Milliarden Stifte pro Jahr, die in 60 Länder exportiert werden.

Für die umweltgerechte Art der Pflanzung genießt das Unternehmen hohes Ansehen in Brasilien. Die zertifizierten Stifte werden sogar von Regierungsstellen als offizielle Stifte geordert. Dass man mit umweltgerechten Pflanzungen Geld sparen kann, ist dabei ein willkommener Nebeneffekt. "Durch das Anwachsen der Ameisenbärpopulation sind unsere Ausgaben für Schädlingsbekämpfungsmittel drastisch gesunken. Denn die Ameisen sind ein echtes Problem hier in dieser Region", sagt Jairo. "So haben wir viel Geld gespart und den Boden mit wesentlich weniger Chemie be- und das Grundwasser entlastet."

Der Holzexperte kann nicht verstehen, warum nicht mehr Unternehmen langfristiger denken. "Wenn die Welt begreifen würde, dass man mit einer ausgeglichenen, nachhaltigen Produktion am Ende ein besseres Resultat erzielt, hätten wir nicht die Zerstörungen, die wir heute überall vorfinden."
Jairo Cantarelli

Scharf bremst er seinen Wagen. Mitten auf dem sandigen Fahrweg döst eine Klapperschlange in der Mittagssonne. Jairo greift nach einem umher liegenden Ast und schiebt das gut anderthalb Meter lange Tier in die angrenzende Wiese. Dort kann sie in Ruhe weiterträumen.

Text + Fotos: Thomas Milz