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[kol_3] Macht Laune: Regen im Paradies

Im Paradies scheint immer die Sonne. Wie könnte es auch anders sein. Traumurlaub ist blauer Himmel am Tag und kleine feine Schleierwölkchen am Abend, von der untergehenden Sonne orange eingetüncht. Hand in Hand den verträumten Blick in die Ferne gerichtet. Die Gedanken bekommen Flügel. Gemeinsame Zukunftsplanung inklusive.


Regen passt da nicht hinein. "Regen haben wir ja auch zuhause", sagen sich die hellhäutigen Touristen aus Nordeuropa. Viel lieber würden sie sich in die pralle Sonne legen, um sich direkt am ersten Tag den gepiercten Bauch knallig zu verbrennen. Graues Regenwetter ist tödlicher Alltag. Den betäubt man mit Rauschmitteln und sinnlosem Fernsehen, damit er schneller vorbeizieht.

Regen stört gewaltig. Aufziehende Unwetter noch mehr. Sobald die ersten Tropfen fallen, verlassen die meisten Ausflügler den Traumstrand auf der Trauminsel im Traumland. Graue Wolken und kalter Wind verwandeln das gelobte Land in eine trübe Hölle. Plötzlich fühlt man sich wie am Ende der Welt, vermisst die heimische Zentralheizung und das gemütliche Sofa. Werden wir jemals wieder dorthin zurückkehren, oder an diesem grausamen Ort enden?

Nur einige wenige trotzen den Gezeiten. Ein Deutscher öffnet eine von zwei mitgebrachten Weinflaschen, um sich von innen gegen den plötzlich kalt peitschenden Wind zu wärmen. Kaltfront mitten im Sommer. Ein Argentinier springt wild in den wüst tobenden Wellen umher. Er liebe Regenwetter, sagt er trotzig. Sich den Urgewalten entgegenstellen.

Etwas weiter den endlos langen Strand hoch liegen zwei sich auf-und-ab bewegende Körper halb im Gebüsch. Sich aneinander wärmen ist ein gutes Rezept. Spaß haben, auch wenn um einen herum die Welt untergeht. Oder endlos lange im Wasser bleiben, durch die warmen Wellen tauchen. Zum Luftholen den Kopf in den schneidigen Wind halten. Dann wieder hinab ins schäumende Nass.


Die Trampelpfade durch den Urwald verwandeln sich in reißende Ströme. Von Baum zu Baum muss man querfeldein springen, um nach Hause zu kommen. Schuhe wären tödlich. Nur der blanke Fuß findet Halt unter Waden hohem Wasser. Alle Sorge gilt der hoch empfindlichen Kamera im durchnässten Rucksack.

Die Zwischenstopps verbringt man mit Baden im aufgewühlten Meer. Das ist wärmer als die frostige Luft. Cachaça pur, bezahlt mit durchweichten Geldscheinen. Ein die Küste entlang tuckerndes Boot wird heran gewunken. Klar könnt ihr mit, meint der Bootsmann. Die Stimmung an Bord ist gut. Wie eine verschworene Gemeinschaft fühlen sich die Unbekannten, die Entkommenen. Die Füße im Meer baumeln lassen, den Fahrtwind im Gesicht.

Getrotzt hat man, dagegen gehalten bis fast zum Schluss. Am Hotel angekommen winken die schon seit Stunden an der Bar eingekehrten Warmduscher. Lachen über die blauen Lippen der Wagemutigen. Was machen wir denn nur bei diesem Wetter?

"Für immer leben wollen alle", sagte einmal ein kluger Mensch. "Aber mit einem verregneten Sonntag wissen sie nichts anzufangen."

Text + Fotos: Thomas Milz