spanien: Es ist vollbracht - Der Karsamstag in Sevilla
BERTHOLD VOLBERG ![]() |
[art. 1] |
brasilien: Das Imperium besucht zurück
THOMAS MILZ ![]() |
[art. 2] |
kuba: Hunger - Teil II
NORA VEDRA ![]() |
[art. 3] |
bolivien: Kakao für die Rente
KATHARINA NICKOLEIT ![]() |
[art. 4] |
grenzfall: Economy Class Syndrom
Panikmache oder reale Gefahr? BERND GIESE ![]() |
[kol. 1] |
pancho: Kribbelkrabbel scharf und fruchtbar
DIRK KLAIBER ![]() |
[kol. 2] |
macht laune: Gustavo Cerati
Krönender Abschluss des Zyklus Verano '07 in Buenos Aires ANDREAS DAUERER ![]() |
[kol. 3] |
lauschrausch: barXino / Andy Palacio & The Garifuna Collective
TORSTEN EßER ![]() |
[kol. 4] |
[art_1] Spanien: Es ist vollbracht: Der Karsamstag in Sevilla
![]() Kupferfarben fließt das Licht der schon tief stehenden Abendsonne vom westlichen Ufer des Guadalquivir durch die engen Häuserschluchten und blendet Fahrer und Fußgänger. Viel zu schnell dröhnt ein Motorrad von der Plaza del Duque Richtung Ufer, will unbedingt noch durchkommen bevor die Straße gesperrt wird. Der bullige, rücksichtslose Fahrer trägt ein T-Shirt der Tottenham Hotspurs. Als er abbiegen will, lenkt ein kreischendes Geräusch, das wie eine Kreissäge in die Gehörgänge fährt, alle Blicke auf die Straßenecke, wo in diesem Moment der englische Fußballfan samt seinem Fahrzeug krachend auf dem Asphalt landet. Unfallursache war weniger die blendende Sonne, als vielmehr buntes Wachs.
Denn die poppig bunte Wachsschicht, die gegen Ende der Karwoche wie Zuckerguss die Straßen der andalusischen Hauptstadt überzieht, ist ein echtes Verkehrsproblem, bringt sämtliche Reifen ins Rutschen, besonders wenn das Wachs durch die heiße Sonne wieder aufgeweicht wurde. Jedes Jahr muss die Stadtverwaltung 25 Arbeitstage und mehr als hunderttausend Euro in die Wachsentfernung investieren. Kurz vor 19.00 Uhr in der Calle Alfonso XII. Der gestürzte Tottenham Hotspurs Fan hat seinen Roller leicht humpelnd Richtung Ufer geschoben. Inzwischen ist die Straße abgesperrt, denn Karsamstag ist der letzte Prozessionstag. Da wird das Leitkreuz der Bruderschaft Santo Entierro an uns vorbei getragen, gefolgt von einer Doppelreihe von "Nazarenos". Unheimlich wirken diese maskierten Büßer in ihren langen pechschwarzen Gewändern und den schwarzen, nach oben spitz zulaufenden, Gesichtsmasken, die nur Augenschlitze frei lassen. Und es wird noch gruseliger, denn schon nähert sich der erste Paso (Altarbühne) der Bruderschaft und darauf sitzt unter dem leeren Kreuz ein bizarres Skelett, das den Tod symbolisiert. Vom Kreuz herab hängt ein schwarzes Stoffband mit der Inschrift "Mors mortem superavit": "Durch den Tod (Christi) wurde der Tod (des Menschen) überwunden." Aber das gruselige Gerippe, das in der in der linken Hand noch die Sense hält und mit der rechten den Schädel aufstützt, der zu grinsen scheint, will nicht wirklich zum theologischen Pathos der Inschrift passen, sondern karikiert sie fast. Diese eher missglückte Todesallegorie wurde Anfang des 19. Jahrhunderts nach barocken Vorbildern im Auftrag der Bruderschaft rekonstruiert. Gegründet wurde diese religiöse Laienvereinigung des Santo Entierro 1570 von Genueser Künstlern und Bankiers, die in der damaligen Globalisierungsmetropole Sevilla ihre neue Heimat gefunden hatten. Es ist eine eher aristokratisch-konservative Bruderschaft. Seit dem letzten Habsburger Karl II. waren alle spanischen Könige Ehrenmitglieder vom "Santo Entierro" und überhaupt muss man leider sagen, dass die Führung dieser Hermandad oft zu eng mit der herrschenden politischen Macht verknüpft war. Ein Beispiel dafür ist Franco, der 1940 im Kreise der Bruderschaft an der Prozession teilnahm. Ein weiteres Detail, das uns diese Bruderschaft weniger sympathisch erscheinen lässt: ganz anders als in anderen Prozessionen gehen die Honoratioren hier unmaskiert im Frack statt als Nazarenos - dies verstößt gegen das Ideal anonymer Buße und gegen den Grundsatz der Gleichheit vor Gott. Vielleicht sind wir auch einfach zu müde, um El Santo Entierro zu würdigen: über 50 Prozessionen in sechs Tagen und Nächten haben ein chronisches Schlafdefizit hinterlassen und eine melancholische Stimmung dominiert diesen letzten Tag der Semana Santa. Müde an eine Hauswand gelehnt, blicken wir der nächsten wandelnden Szene des Kreuzwegs entgegen. Die Abendsonne lässt den frisch vergoldeten Paso erstrahlen. Doch all dieses Goldgeblitze lenkt zu sehr ab vom eigentlichen Kunstwerk: dem Cristo Yacente (1620) von Juan de Mesa, dem einzigen Schüler des großen Martínez Montañés, der an dessen Genialität heran reichte. Große Kunstwerke präsentiert die Prozession von Santo Entierro ohne Zweifel, aber irgendwie fehlt uns die typisch sevillanische Semana Santa Stimmung: kein Blütenregen, keine Saetas, und die Träger vollführen auch keine Kunststücke mit den tonnenschweren Pasos. Die ganze Demonstration ist uns zu theologisch und wir hoffen auf einen schöneren Ausklang der Heiligen Woche. Kurz nach 22.00 auf der Plaza de Santa Isabel. Wir haben uns einen Platz zwischen dem Brunnen und dem Seitenportal der Klosterkirche Santa Isabel erobert. Eine dichte Menschenmenge drängt sich auf dem Platz, der seit ein paar Minuten in völliger Dunkelheit liegt. Alle Laternen wurden ausgeschaltet, nur der bleiche Schein des Vollmondes taucht die Silhouetten der Kirchen und die wartenden Menschen in ein unwirkliches Licht. Ein zur Ruhe mahnendes Zischen geht jetzt durch die Zuschauer, man hört leise Oboenklänge, dann öffnet sich eine Gasse und silbern glänzend wird das Leitkreuz der Prozession von Los Servitas herangetragen. Eigentlich schon 1696 gegründet, verwandelte sich diese Vereinigung erst 1971 in eine Bußbruderschaft und organisiert seitdem eine Prozession. Ganz in Schwarz schreiten die Nazarenos der Servitas vorbei.
Die Nazarenos umrunden den ganzen Platz, bevor sie rechts im Eingang ihrer Kapelle verschwinden, die an die Kirche San Marcos angebaut wurde. Mit kaum mehr als 300 Nazarenos ist dies eine der kleinsten Prozessionen der Sevillaner Semana Santa. Schon hören wir den Trauermarsch, der den ersten Paso ankündigt. Plötzlich öffnet sich hinter uns ächzend das Portal der Klosterkirche Santa Isabel. Es ist das einzige Mal im Jahr, dass diese vergessene, vom Verfall bedrohte Kirche eines Klausurklosters ihre Pforten öffnet - ansonsten bleibt sie der Welt verschlossen. Jetzt aber kann man für ein paar Momente das goldene Leuchten genießen, das sich durch das weit geöffnete Portal vom Kircheninnern auf den verdunkelten Platz ergießt. Die Renaissance-Kirche Santa Isabel gehört zu den vielen verborgenen Schätzen Sevillas, die oft sogar Sevillanern nicht bekannt sind. Wir können einen Blick in den Innenraum werfen. Da ist der goldstrahlende Hochaltar, entworfen von Juan de Mesa. Zwischen weiteren vergoldeten Hochaltären ist es vor allem ein anderes Werk von Juan de Mesa, das die Blicke anzieht: der "Cristo de las Misericordias" (1622). Fast jeder, der dieses Meisterwerk entdeckt, kommentiert spontan, dass diese Christusstatue eigentlich auf einem Paso durch die Straßen getragen werden sollte, statt der Öffentlichkeit vorenthalten zu werden.
Einige der Zuschauer glauben, der Paso würde in die Kirche hinein getragen, aber er wird nur für ein Grußritual, wie man es immer wieder während der Semana Santa beobachten kann, vor dem Portal postiert.
Das vom Kreuz herab hängende weiße Tuch leuchtet im Mondlicht als wollte es die Trauernacht der Mutter, die ihren toten Sohn in den Armen hält, erhellen. Schon wird der Paso wieder angehoben und zu den Klängen des Trauermarschs "Einsamkeit gib mir die Hand" wird er in einer Ehrenrunde um den Platz getragen, bevor er rechter Hand in der Kapelle verschwindet. Etwa zehn Minuten später erscheint die Jungfrau der Einsamkeit zwischen den Orangenbäumen am Ende des Platzes und wie ein lichterglänzendes Schiff bahnt sich ihr Paso einen Weg durch das Meer der dunklen Menschenkörper.
Ihr Schöpfer ist einer der bedeutendsten andalusischen Künstler des 20. Jahrhunderts: Antonio Castillo Lastrucci. Als ihr Paso wieder empor gehoben wird, schließen sich die Pforten des geheimnisvollen Klosters Santa Isabel erneut für ein Jahr. Kurz vor Mitternacht in der Gasse Cardenal Spínola. An uns ziehen 800 schwarzweiß gewandete Nazarenos mit herunter gebrannten Kerzen vorüber. Sie gehören zur ältesten Bruderschaft des Tages, der 1549 gegründeten Soledad de San Lorenzo. In diesem Jahr feiert sie den 450. Jahrestag ihrer "Verfassung", d.h. ihr Buch der Regeln wurde 1557 formuliert und verabschiedet. Früher war diese Vereinigung eine der aristokratischsten Bruderschaften der Stadt, denn bis ins 19. Jahrhundert durften ihr nur Adlige beitreten. Und seit Jahrhunderten ist diese einsame Madonna der letzte Paso, der die Kathedrale verlässt. Sie gilt als die älteste Dolorosa, die in der Karwoche durch Sevillas Straßen getragen wird, geschaffen zwischen 1580 und 1590 von einem unbekannten Künstler. Am Ende der Gasse erhellt ein diffuses, goldenes Leuchten die Düsternis der Totennacht. Wie von riesigen, unsichtbaren Händen geschoben, rückt der von kühn geschwungenen Kerzenkandelabern erleuchtete Paso langsam näher. Schweigend zieht diese Prozession als einzige des Tages ohne jede Musikbegleitung, um die Einsamkeit und Trauer der unter dem leeren Kreuz stehenden Mutter Jesu besonders zu betonen.
Umgeben von einem Lichtermeer steht sie da im schwarzen Trauermantel und blickt mit tränenerfülltem Blick verloren in die Nacht. Hinter ihr pendelt am leeren Kreuz das weiße Leichentuch ihres Sohnes leise im Wind. Eine Welle der Ergriffenheit erfasst die Zuschauer, dann wird die Madonna um die Ecke auf die Plaza de San Lorenzo getragen. Doch wir haben keine Zeit, sie bis zum Schluss zu begleiten, denn eine Prozession - die größte des Tages - fehlt uns noch. Wir wollen uns schon abwenden und weiter gehen, da erklingen unerwartet die ersten heiseren Töne einer Saeta von einem Balkon über dem Paso: "Soledad de San Lorenzo....broche de oro que cierra la Semana Santa..." (Einsamkeit von San Lorenzo - Du bist die goldene Brosche, die die Karwoche versiegelt...). Ein dunkelhäutiger Mann mittleren Alters, wild gestikulierend, begleitet mit diesem leidenschaftlich vorgetragenen Klagelied die einsamste Madonna Sevillas zurück in ihre Kirche.
Die beiden letzten Prozessionen symbolisieren in ihren Farben das Wechselspiel der Gefühle während der gesamten Semana Santa: schwarzes Schweigen und feierliche Trauer auf der einen Seite, leuchtendes Frühlingsfest auf der anderen. Für uns ist es die letzte Prozession dieses Jahres. Die Bruderschaft der Dreifaltigkeit (La Trinidad) wurde 1555 von Gärtnern gegründet und ist heute eng mit dem Salesianer-Orden verbunden.
Irgendwie wirkt die barocke Szenerie mit zehn Figuren unterschiedlicher Größe überladen und ihre pompöse Theatralik erinnert an die Sprache von Calderons Autos Sacramentales.
Es ist unmöglich, in den paar Minuten, während diese Szenerie langsam vorbeizieht, auf alle Details zu achten. Der Vollmond, vorübergehend von Wolken verdeckt, taucht die ganze Straße und die Schatten der mit flackernden Kerzen vorbei schreitenden Nazarenos in wunderbares Licht, das aus einer anderen Welt zu kommen scheint. Da gleitet der überdimensionale Schatten des Kreuzes zitternd über eine weiße Fassade.
Genau vor uns wird diese Altarbühne angehalten. Auf dem Paso richten die Jungfrau Maria, Magdalena und der Heilige Johannes den Blick nach oben, wo Nikodemus den toten Körper Christi vom Kreuz herab lässt: die weit ausgebreiteten Arme des Erlösers vor dem Vollmond, über den Wolkenschatten jagen, das weiße Leichentuch flattert in den Windböen.
Jetzt brandet Jubel am anderen Ende der Straße auf: begleitet von einer dichten Menschentraube bahnt sich der letzte Paso der Bruderschaft, die Jungfrau der Hoffnung unter einem Baldachin aus grünem Samt, mühsam seinen Weg. Der Rhythmus der Musik wird schneller und fröhlicher, die Träger unter dem Paso geben noch einmal alles, bringen die schöne Madonna von Juan de Astorga (1820) in ihrem Übermut fast zum Tanzen; und eine Welle der Begeisterung geht durch die Zuschauer. Hiermit endet die Trauernacht des Karsamstags, die Osternacht ist angebrochen und diese Jungfrau, die den Namen der Hoffnung trägt, bringt die Botschaft von Wiedergeburt unter das jubelnde Volk. Das Glitzern ihres grüngoldenen Mantels erleuchtet die Nacht schon ein paar Stunden vor Sonnenaufgang. Das Grün der wieder erwachenden Natur verdrängt das Schwarz des Winters, Blütenblätter regnen vom Himmel, Leben und Freude kehren zurück. Es ist vollbracht. Text + Fotos: Berthold Volberg Links: http://www.realhermandadservita.org/ http://www.hermandaddelatrinidad.org http://www.santoentierro.org http://www.hermandaddelasoledad.org Von Berthold Volberg sind zur Semana Santa in Sevilla folgende Artikel erschienen: [Zwischen strahlendem Barock und düsterer Mystik: Der "Heilige Montag"] [Die Passion in Sevilla: Der "Heilige Mittwoch"] [Der Karfreitag in Sevilla: Ein Andalusisches Requiem] [Der Tag der Himmelsköniginnen - Palmsonntag in Sevilla] [Goldrausch in Sevilla: Gründonnerstag der Semana Santa] [Semana Santa in Sevilla-Die Geheimnisse der Madrugá] |
[art_2] Brasilien: Das Imperium besucht zurück
![]() Wem ist es noch nicht so gegangen: Strahlender Sonnenschein, 35 Grad Hitze - der Tag könnte nicht schöner beginnen. Doch irgendwas Seltsames liegt in der Luft. Das Fenster aufgerissen und mit freiem Oberkörper hinaus auf die Stadt gespäht, um zu sehen was geht. Nun, erstaunlich wenig für einen Freitagmorgen, muss ich feststellen. Wo sich sonst endlose Autokolonnen entlang quälen, herrscht heute gähnende Leere. Dafür schaue ich direkt in das bleiche Gesicht eines in einen schwarzen Anzug gekleideten Mannes, der für mich stumm in ein Handy spricht.
Ich flitze die sieben Stockwerke hinunter auf die Straße. Zwei Fotografen stehen vor meinem Haus. "Was geht denn hier ab?", frage ich sie. "Du weißt von nix? Laura Bush ist auf dem Weg hierher, sie will das Sozialprojekt auf der anderen Straßenseite besuchen." Die Polizei hat bereits alle Straßen rund um mein Haus abgesperrt, oben auf der Kreuzung sehe ich noch den Kopf der Autoschlange, deren Besitzer von der unerbittlichen Sonne in ihren Blechkisten weich gekocht werden. Eine Frau steht einsam mit einer kleinen USA-Fahne auf dem Bürgersteig und wartet. "Die USA kämpfen wenigstens für ihr Land und sind stolz auf ihre Geschichte. Die Brasilianer denken dagegen nur an Samba, Bier und Frauen. Um für irgendetwas zu kämpfen, sind sie zu schwach. Als Lula Präsident wurde, habe ich versucht, meinen brasilianischen Pass abzugeben. Ich wäre wirklich lieber Amerikanerin." Ein junger Mann mit bloßem Oberkörper macht seiner Empörung über das Gesagte Luft. Ich frage ihn, was er denn so von Bush hält, und es bricht aus ihm heraus: "Bush ist ein Hurensohn..."
Die umstehenden Polizisten schnappen ihn sich, packen ihn im Genick und zerren ihn den Bürgersteig entlang zum nächsten Polizeiauto. Die Fotografen knipsen alles, während sie versuchen, die Situation zu beruhigen. "Meinen Sie nicht, dass Sie etwas überreagieren?", fragt einer die Polizistin. Aber die lässt nicht mit sich reden. Am nächsten Tag sieht man das Bild der Verhaftung in den großen Zeitungen der Stadt und im Text verteidigt sich der junge Mann, er habe lediglich auf die Frage eines deutschen Journalisten geantwortet. In unserem WG-Apartment im siebten Stock rührt sich etwas. Mein Mitbewohner öffnet das Fenster und betrachtet die bunte Szene aus der Vogelperspektive, eine Kaffeetasse in der Hand. Sofort schwenken die in schwarze Kampfanzüge gekleideten Scharfschützen ihre Gewehre in seine Richtung. Ob sie wohl zuerst die Kaffeetasse zerschießen werden oder meinem Mitbewohner direkt den finalen Todesschuss in die Stirn jagen? Man weiß ja nicht, wie solche Leute drauf sind. Laura Bush biegt um die Ecke. Zwei große Limousinen, mehrere Begleitfahrzeuge davor und dahinter. Bevor sie aussteigt, springen haufenweise Sicherheitsleute ebenfalls in schwarzen Anzügen aus dem Begleitkonvoi. Als die First Lady dem Wagen entsteigt, rufen die Fotografen "Hillary" und "Barbara". Laura winkt ihnen zu und die Frau mit der kleinen USA-Fahne schwenkt diese ganz aufgeregt.
Dann ist Georges Gattin auch schon verschwunden. Frühstücken will sie angeblich mit den Kindern des Sozialprojektes. Dabei hatten Zeitungen berichtet, dass selbst Mineralwasser und Kekse aus den USA eingeflogen wurden. Ob sie sich wohl an einen brasilianischen Cafezinho heranwagen wird? Gestern hatten sich noch einige Tausend Protestler auf der Avenida Paulista eine Straßen- oder besser Avenidaschlacht mit der Polizei geliefert. Steine flogen, Tränengas wurde gesprüht. Heute ist alles ruhig. Ganze drei Demonstranten haben sich eingefunden und verteilen Flugblätter gegen die angeblich kurz bevorstehende Beschlagnahmung des Amazonasregenwaldes durch die USA. "Der Regenwald gehört uns!" Nach gut einer Stunde ist alles vorbei. Laura eilt zurück in ihre Limousine, die Sicherheitsleute hüpfen in die Vans und schon braust der Konvoi über abgesperrte Straßen davon. Laura muss zum Mittagessen mit George und Brasiliens Präsident Lula da Silva. Die hatten sich an diesem Vormittag über eine Zusammenarbeit der beiden Länder bei der Herstellung von Ethanol-Sprit unterhalten.
Ob Laura wohl noch das einsame Plakat gesehen hat, das in der Nähe des Sozialprojekts aufgehängt wurde? Darauf wirft ein Vermummter einen Molotov-Cocktail gegen ein Bush-Bild. "Wir können Euch gerne Alkohol geben" steht darauf. Text + Fotos: Thomas Milz |
[art_4] Bolivien: Kakao für die Rente
![]() Moskitos umsurren Don Ernesto in der feuchten Hitze. Der alte Mann mit dem von Falten zerfurchten Gesicht schwingt seine Machete und schlägt eine Kakaofrucht vom Baum. Mit ein Paar Hieben wird sie geöffnet. Er pult die Kerne aus der Schale und lässt sie in den immer schwerer werdenden Sack gleiten, den er auf dem Rücken trägt. Seit 45 Jahren baut Don Ernesto Kakao an, und mit jedem Jahr wird die Arbeit für ihn beschwerlicher.
Sie zählt 800 Produzentenfamilien in 38 verschiedenen Kooperativen, die quer über die tropische Region des Alto Beni verteilt leben. Außerdem arbeiten 100 Angestellte in der Fabrik, die hoch oben in den Anden bei La Paz liegt. Der Erfolg von El Ceibo wäre ohne den Fairen Handel kaum möglich gewesen, da ist sich Don Ernesto sicher: "Der Faire Handel ist wichtig für uns, weil man sich da nicht nur um das Produkt, sondern auch um uns Produzenten kümmert. Er garantiert uns einen sicheren Absatzmarkt zu einem fairen und stabilen Preis." Durch den Fairen Handel haben die Produzenten ein stabiles Einkommen, das mit rund 100 Euro pro Monat etwa doppelt so hoch ist, wie der Erlös, den sie mit dem Verkauf des Kakaos an Mittelsmänner erzielen würden. "Nur so war es mir möglich, meine vier Kinder nicht nur groß zu ziehen, sondern ihnen auch eine gute Ausbildung zu ermöglichen." Heute leben die vier Töchter Don Ernestos mit ihren Familien quer über Bolivien verteilt. Die Eltern sind alleine zurück geblieben, und die Arbeit in der Kakaopflanzung wird ihnen zunehmend zur Last. "Ich bin 65 Jahre alt, meine Frau Efrasia ist 68. In unserem Alter fällt uns die harte körperlich Arbeit immer schwerer." Unter normalen Umständen müssten die Beiden bald ihre Hütte und ihr Dorf aufgeben, und hoffen, bei Ihren Kindern unterzukommen und dort mitversorgt zu werden.
"Ein Teil der Prämie vom Fairen Handel wird dazu verwendet, uns älteren Mitgliedern eine Pension zu bezahlen, so dass wir auch im Alter noch genug Geld zum Leben haben", sagt Efrasia und ihr ist deutlich anzumerken, wie froh sie ist, versorgt zu sein, wenn sie einmal zu alt ist, um weiter in der Pflanzung zu arbeiten. Kakao anzubauen ist eine anstrengende und zeitaufwendige Angelegenheit, zumal dann, wenn es sich um biologisch angebauten Kakao handelt. "Wir sind rund um das Jahr beschäftigt. Entweder muss der Kakao geerntet und getrocknet werden, oder wir müssen das Feld von Unkraut frei halten, denn wir können ja keine Pestizide sprühen", meint Efrasia. Zur Arbeit auf der Plantage kommt die häusliche, ihre Hütte etwa braucht bald wieder ein neues Dach, das das Paar aus Palmblättern flicht. Verarbeitet wird der Kakao in El Alto, das früher das Armenviertel der Hauptstadt La Paz war und heute eine eigene Millionenstadt bildet. Doch da müssen die Kakaobohnen erst mal hin. Die Straße aus dem Tiefland des Alto Beni in die Hauptstadt gilt als die gefährlichste ganz Südamerikas. Es ist eine schmale Schotterpiste, die in die steilen Andenabhänge gekerbt wurde, gerade breit genug für einen Lastwagen. Auf der einen Seite ragt steil die Wand empor, während auf der anderen ein Hunderte Meter tiefer Abgrund lauert. Nur an einigen Stellen gibt es Ausweichmöglichkeiten für den Gegenverkehr. Über diese Straße quälen sich auch die mit den Kakaobohnen von El Ceibo beladenen Lastwagen im Schritttempo ins Hochland empor. "Früher gab es ein Monopol der Transportunternehmer, die Unsummen für die Beförderung verlangten", so Clemente Puna, derzeit Vizepräsident der Kooperative, und grinst. "Aber dann haben wir Lastwagen gekauft und das Monopol gebrochen."
Ein köstlicher Duft nach Schokolade durchdringt die Luft, denn hier werden jedes Jahr 500 Tonnen Bio- und noch mal 200 Tonnen herkömmlicher Kakao verarbeitet; der Jahresumsatz liegt bei zwei Millionen US-Dollar. 70 Prozent der gesamten Kakaoproduktion Boliviens kommen von El Ceibo und die Organisation ist überall für ihre gute Qualität bekannt. Die wird übrigens von einer Frau kontrolliert, was ungewöhnlich ist, denn Frauen in Führungspositionen sind in Bolivien selten. Marta, die 28-jährige Tochter eines Kooperativenmitgliedes, hat mit einem Stipendium von El Ceibo studiert. "Unsere Kinder sind die Zukunft von El Ceibo. Viele studieren Agrarwissenschaften, und ihr Wissen und ihre Fähigkeiten kommen unserer Gemeinschaft zu Gute", erklärt Clemente Puna nicht ohne Stolz, denn dass Kinder von Bauern eine Universität besuchen, ist in Bolivien alles andere als selbstverständlich. Jedes Kooperativenmitglied kann sich auf einen der festen Arbeitsplätze in der Fabrik bewerben und bekommt dort einen sicheren Arbeitsplatz und Aufstiegschancen. Die Arbeiter in der Fabrik von El Ceibo erhalten mit 100 Euro im Monat das Doppelte des offiziellen Mindestlohns, der üblicherweise gezahlt wird. Nora hat sich dafür entschieden. Ihre Aufgabe ist es, die angelieferten Kakaobohnen zu sortieren. Für sie ist das nicht irgendeine Arbeit, sondern fast so, als arbeite sie in ihrem eignen Betrieb. "Ich bin Teil von El Ceibo und froh, in meiner eigenen Kooperative arbeiten und sie voranbringen zu können. El Ceibo ist etwas besonderes. Wir kümmern uns umeinander. Wenn zum Beispiel jemand krank wird, dann helfen wir uns gegenseitig mit den Kosten für den Arzt. In einer normalen Fabrik gäbe es das nicht", erzählt die 38-jährige. Bis zu 200 Euro zahlt die Kooperative kranken Mitgliedern für die ärztliche Versorgung; finanziert wird das aus der Fair Trade Prämie. Wie die Prämie verwendet wird, entscheidet jedes Jahr eine aus allen Kooperativen des Landes gewählte Versammlung: Rentenfond, Arztkostenzuschuss, Stipendien und die Finanzierung der Agraringenieure, die den Mitgliedern helfen, die Qualität des bereits hochwertigen Kakaos weiter zu steigern. Das ist nur möglich, weil 65 Prozent der Produktion an den Fairen Handel exportiert werden.
Im Lagerhaus steht eine meterhoch bepackte Palette mit Kakaopulver für die gepa, die einer der Hauptabnehmer von El Ceibo ist. Doch nicht nur deshalb ist das Fairhandelshaus ein wichtiger Partner für die Kooperative: "Die gepa steht für eine vertrauensvolle, stabile und verlässliche Zusammenarbeit. Und es geht ihnen nicht nur um den Kakao, sondern sie erweisen uns als Kleinbauern auch Respekt", meint Clemete Puna und bietet uns ein Stück Schokolade an. Text: Katharina Nickoleit Fotos: Christian Nusch Tipp: Katharina Nickoleit hat einen Reiseführer über Peru verfasst, den ihr im Reise Know-How Verlag erhaltet. Weitere Informationen über die Autorin findet ihr unter: www.katharina-nickoleit.de
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[kol_1] Grenzfall: Economy Class Syndrom
Panikmache oder reale Gefahr? ![]() Ein Flug von Frankfurt nach Venezuela dauert 10,5 Stunden. In Zusammenhang mit solchen Langstreckenflügen berichteten spektakuläre Schlagzeilen in den Medien in den letzten Jahren regelmäßig über Todesfälle durch das sogenannte Economy Class Syndrom (auch Touristenklasse-Syndrom). Entsprechend verunsichert sind viele Reisende. Alles Panikmache, oder doch ein ernst zu nehmendes Problem? Dieser Artikel soll über den aktuellen Kenntnisstand zum Economy Class Syndrom aufklären und dabei insbesondere die folgenden Fragen beantworten:
Schließlich wäre es doch schade, wenn man sich die vielfältige Faszination Venezuelas entgehen ließe wegen ungerechtfertigter Angst vor dem langen Flug. Andererseits, was bringen Prophylaxen gegen Malaria, Gelbfieber oder Reisedurchfall, wenn man die vielleicht tatsächlich bestehende Gefahr eines Economy Class Syndroms ignoriert und schon auf dem Hinflug schwer erkrankt? 1. Was ist das Economy Class Syndrom? Beim Economy Class Syndrom kommt es zu einer Thrombose in den tiefen Beinvenen, verursacht durch das lange eingeengte Sitzen während eines Langsteckenfluges und/oder die besonderen Bedingungen innerhalb der Flugzeugkabine. Dabei ist der Ausdruck "Economy Class Syndrom" irreführend, denn Fliegen in der Business Class oder längere Fahrten in Bus, Bahn oder PKW können ebenfalls Thrombosen verursachen.
Die Thrombose ist eine Erkrankung der Gefäße, bei der sich ein Blutgerinnsel (Thrombus) im Gefäß festsetzt und den weiteren Blutfluss behindert. Dadurch kann das Gewebe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden. Typische Symptome für tiefe Beinvenenthrombosen sind:
Allerdings verlaufen die meisten Thrombosen, ohne dass die Betroffenen etwas bemerken. Diagnostiziert werden kann eine Thrombose durch Doppler Sonographie (Ultraschall) oder den sogenannten D-Dimer-Test.
Dieser historische Bezug inspirierte 60 Jahre später die beiden israelischen Mediziner Galili und Bass zu der provokanten Folgerung, dass die Sitze in der Economy Class moderne Folterinstrumente seien und das Sitzen in der heutigen Economy Class sich praktisch nicht von dem Sitzen in Luftschutzbunkern während des 2. Weltkriegs unterscheide. Während bereits 1954 erstmals zwei Thrombosefälle beschrieben wurden, die nach einem 15-stündigen Flug auftraten, wurde der Begriff "Economy Class Syndrom" erst 1977 durch die britischen Ärzte Symington und Stack geprägt. Das wohl prominenteste Opfer einer Reisethrombose war der damalige US-Präsident Richard Nixon, der 1974 auf einem Flug in den Mittleren Osten eine Thrombose erlitt. Die anschließenden Komplikationen, einschließlich einer Lungenembolie, zwangen ihn zu mehreren Krankenhausaufenthalten und verhinderten damals seine Aussagen im Watergate-Skandal. 2. Wie gefährlich ist das Economy Class Syndrom? Trotz zahlreicher Indizien und wissenschaftlicher Daten gilt das Economy Class Syndrom bisher nicht als zweifelsfrei bewiesen. Zum Abschluss eines Expertentreffens der Weltgesundheitsbehörde WHO wurde 2001 ein als kleinster gemeinsamer Nenner anzusehendes Statement verfasst. Demnach wird ein kausaler Zusammenhang zwischen Flugreisen und thromboembolischen Ereignissen (tiefe Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie) vermutet. Die allgemeine Datenlage wurde als unzureichend eingestuft und es erfolgte keine Risikoeinschätzung. Seitdem sind zahlreiche weitere Studien durchgeführt worden, darunter das durch die Regierung Großbritanniens seit 2003 mit 1,8 Mio. € finanzierte WRIGHT-Projekt (WHO Research Into Global Hazards of Travel). Das entgültige Ergebnis dieser bisher größten Studie zur Reisethrombose war ursprünglich für Ende 2006 terminiert, steht jedoch noch immer aus. Die bereits veröffentlichen Zwischenergebnisse stehen im Einklang mit zahlreichen anderen Studien und bestätigen ein mäßig erhöhtes Thromboserisiko für alle Transportarten einschließlich Flugreisen. Demnach haben Langstreckenreisende (Flugdauer acht oder mehr Stunden) über alle Passagiere gemittelt ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko, innerhalb von vier Wochen nach der Flugreise an einer Thrombose zu erkranken. Dabei muss jedoch stark differenziert werden, da verschiedene Personengruppen sehr unterschiedlich gefährdet sind (siehe unten).
Eine umstrittene Studie kam sogar auf durchschnittlich 10% asymtomatischer Thrombosen pro Langstreckenflug, entsprechend etwa 45-50 Passagieren. Die Anzahl symptomatischer Thrombosen (ca. 1:10.000 Passagieren) oder gar Lungenembolien ist deutlich geringer. Aber selbst bei einer geringen Gefahr durch das Economy Class Syndrom kann es angesichts 150 Millionen Flugreisender pro Jahr allein in Deutschland und zwei Milliarden weltweit zu einer nennenswerten Zahl an Todesfällen kommen. In Deutschland tritt jedes Jahr bei einem von Tausend Menschen eine Thrombose auf. 8.000 bis 10.000 Deutsche sterben laut statistischem Bundesamt jährlich an einer Lungenembolie. Wie viele dieser Todesfälle in direktem Zusammenhang mit dem Economy Class Syndrom stehen, ist umstritten. Schätzungen reichen von 0 bis 1.000. Aber auch wenn die Anzahl der Todesfälle nicht exakt beziffert werden kann, so dürfte es doch als praktisch gesichert angesehen werden, dass in Deutschland mehr Menschen durch das Economy Class Syndrom sterben als durch Flugzeugabstürze oder durch Malaria (drei Todesfälle in Deutschland in 2005). Geschätzte Anzahl thromboembolischer Ereignisse pro Jahr durch Flugreisen bezogen auf deutsche Flugreisende (150 Mio. Flugreisen pro Jahr)
3. Wer ist gefährdet? Wie bereits erwähnt ist die Gefährdung durch das Economy Class Syndrom nicht für alle Menschen gleich. So sind sich die meisten Experten heute einig, dass ein Langstreckenflug das Thromboserisiko für gesunde Menschen, auf die ansonsten keine weiteren Risikofaktoren zutreffen, nicht bzw. nur unwesentlich erhöht. Liegen jedoch weitere Risikofaktoren vor, so kann es zu einem erheblich erhöhten Risiko kommen. Es scheint so, als ob Langstreckenflüge die persönlichen Risikofaktoren noch verstärken. Die Aerospace Medical Association hat die Risikofaktoren je nach Ihrer Relevanz in drei Gruppen unterteilt: Geringes Risiko
Mittleres Risiko
Hohes Risko
Andere Expertengremien nehmen geringfügig andere Unterteilungen vor. Zum Beispiel wertet die WHO Übergewicht mit einem BMI > 30 als Faktor mit mittlerem Risiko. Im Rahmen des WRIGHT-Projektes wurden außerdem Körpergrößen kleiner als 1,60 m und größer als 1,90 m als mittlere Risikofaktoren auf Langstreckenflügen identifiziert.
Bei mittlerem oder hohem Risiko sollte vor einem Langstreckenflug unbedingt ein Arzt konsultiert werden. Dieser kann auf der Basis des individuellen Thromboserisikos gegebenenfalls weitere Prophylaxe-Maßnahmen empfehlen. Zum Beispiel haben sich verschiedene Kompressionsstrümpfe bewährt, die auch unabhängig vom Arzt in Apotheken erhältlich sind. Bei hohem Risiko sind zusätzlich blutverdünnende Medikamente in Betracht zu ziehen. Heutzutage werden meist Injektionen mit niedermolekularem Heparin empfohlen. Der konsultierte Arzt ist am besten in der Lage, Nutzen und Nebenwirkungen (z.B. erhöhte Blutungsneigung, Abfall der Blutplättchenzahl und bei längerfristiger Anwendung Osteoporose) von Heparin abzuwägen und ggf. die Dosis festzulegen. Nach Erklärung durch den Arzt kann sich der Reisende eine solche prophylaktische Injektion unmittelbar vor dem Flug selbst verabreichen. |
[kol_2] Pancho: Kribbelkrabbel scharf und fruchtbar
![]() Bachco, ba chaco chaco chaco. Befreiungskämpfer Simón Bolívar, der Verzweiflung nahe, wenn zur Essenszeit nicht in seiner Reichweite. Die Website warnend: Der Genuss dieses mächtigen sexuellen Stimulators in Suppen, Empanadas, Arepas oder auf Grillfleisch, kann zu einem Anwachsen ihrer Familiengröße führen. ¡Fliege! Jetzt Du, mein treuer Freund, meint ¡Fliege! - ¡Obacht! Oder ¡Vorsicht: Bringt Synapsen zum japsen!
Es regnet. Stehste drin, biste nass. Also lieber an den nächsten Urwaldtresen unterm Palmendach und der Lieblingsbeschäftigung frönen. Und wenn du denkst, Erdnüsse wären was, krabbeln sie übern Tisch, zu zweit. Der Nachbar lässt die flache Hand danieder sausen, packt sich Bachaco unter die Zuge und reicht dir den zweiten. Du hoffst, die Amazonasbewohner mögen mit reichlich finnischem Blut getränkt sein und die nächsten Tage stehen und trinken in seliger Glückstilligkeit. Deine Zunge schwillt und sprengt den Mund, salzige Tränen kullern und bilden Katerakte, rinnen über den viel zu großen, pelzigen Fremdkörper und steigern die Qualen. Höllchen, tut das weh! Aber was kommt, das geht. Ausreichend Luft errungen, den Spuk verdaut. Dann kommt die Wirtin: "Zur Schwächung des Schärfegrades mischt man Bachacos mit getrockneten Chili." Hätt´ ich’s nur geahnt. Kopfschütteln. Unbedacht schob ich mir die Ameise unverdünnt unter die Zunge. Seither bin ich drauf wie Bolívar. Ameisen statt Chili. Tief aus dem Urwald des Amazonas heraus dringt die teuflische Schärfe der roten Tierchen unaufhaltsam vor in gemäßigt scharfe Regionen wie die Anden.
Die Soße ist besonders köstlich zu einer Parrilla, einer Fleischgrillorgie. Für den Alltagsgebrauch favorisiere ich die geschmacksneutrale Variante des Pulvergemisches aus Bachacos und Chili. Text + Fotos: Dirk Klaiber |
[kol_3] Macht Laune: Gustavo Cerati
Krönender Abschluss des Zyklus Verano '07 in Buenos Aires ![]() Es war einer dieser Tage, die einem im Gedächtnis bleiben, dieser 10. März 2007. Zumindest in Buenos Aires. Die Zeitungen werden am Tag darauf von einem Spektakel der Extraklasse berichten, an dem 200.000 Schaulustige und Fans gekommen waren, um dem Abschluss des Verano '07 beizuwohnen. Ja, es war ein Spektakel! ![]() Und das begann schon im Vorfeld: ganze Straßenzüge waren gesperrt worden und der öffentliche Verkehr hatte Mühe auch nur in die Nähe der Bühne in der Avenida Figueroa Alcorta und La Pampa zu gelangen. So füllten sich die Straßen daher mit Fußgängern, die ihren bis zu fünf Kilometer langen Pilgerzug mit Choripan oder Panchos in Händen in Richtung Palermo antraten. Einmal angekommen, kämpfte man sich durch die Massen, um einen einigermaßen guten Blick auf die Bühne und auf einen der einflussreichsten Musiker Lateinamerikas zu erhaschen. Allerdings wird dem nicht Widerstandsfähigen nach kürzester Zeit klar, dass der gute Platz aufgrund hüftgewaltiger Argentinos nicht wirklich zu verteidigen ist und man sich schnell 20 bis 30 Meter weiter hinten wiederfindet. Im Endeffekt aber war es egal, denn der Sound war trotz der vielen Leute und des freien Himmels sehr gut. ![]() „Fünf von zehn möglichen Punkten“, sagt Ana, die zwar ein bisschen zu spät gekommen ist, aber das Wichtigste noch mitbekommen hat, nach dem Konzert zu mir. „Wie kannst du denn da nur fünf geben? Zehn sind es, eindeutig zehn“, entgegnet mein Freund Alberto. Nun ja, ich selbst hätte vielleicht einen vergeben, aber das liegt daran, dass Cerati kein Entertainer ist, sehr sehr lustlos wirkte und für meinen Geschmack die Songliste nicht gut austariert war. Den Argentinos ist das egal. Gerade nach der Ära Post Cromañon, wo den Bands entweder wenig Auftrittsmöglichkeiten eingeräumt werden oder sie unverschämt hohe Eintrittsgelder nehmen und es so ungleich schwerer geworden ist, die unzähligen nationalen Größen live zu erleben. Cerati gab es gratis, aber wenn schon 200.000 Porteños anrücken, um ihn zu sehen, dann hätte er sich wenigstens Mühe geben können. ![]() Nach durchwachsenem Beginn, wo am ehesten der Hit Adiós aus der letzten Soloscheibe Ahí Vamos herausragte, kam es schließlich zum wirklichen Höhepunkt: Als Gastmusiker waren nicht die Ex-Soda-Stereo-Kollegen Alberti und Zeta Bosio geladen - wohl um den Gerüchten einer Wiedervereinigung der erfolgreichen Band vorzubeugen - sondern Luis Alberto Spinetta (Anmerkung: einer der lebenden Legenden des argentinischen Rock Nacional) stieg höchstpersönlich auf die Bühne, um Te Para Tres und Bajan unter frenetischem Jubel zum Besten zu geben. El Flaco war zwar etwas dünn mit seinem Stimmchen, aber wie immer hervorragend an der Gitarre und wurde euphorisch begleitet vom enthusiastischen Publikum. Dem konnte dann auch ein Stromausfall, der fünf Minuten das Geschehen lahm legte, nichts mehr anhaben. Cerati ließ die kleine Pause nicht ungenutzt und besann sich endlich auf das Wesentliche: nämlich gute Musik zu machen. Eindrucksvoll schallte der Sommerhit Crimen in die Vollmondnacht, das wohl beste Stück des Abends. Es folgten rockige Versionen von Prófugos und das wunderschöne Puente der vorletzten Scheibe Bocanada, ehe mit dem aktuellen Jugo de Luna das Konzert beendet wurde. Etwas zu abrupt, wie ich fand, denn Gustavo verschwand ohne ein Wort des Dankes oder der Verabschiedung, geschweige denn einer Zugabe. ![]() Aber der Großteil der Besucher nahm es ihm nicht weiter übel und zog frohen Herzens ab, glücklich bei diesem historischen Ereignis dabei gewesen zu sein. Und in der Hoffnung, dass es im September vielleicht doch zu der (un)erwarteten Wiedervereinigung der alten Soda Stereo kommen könnte. Text + Fotos: Andreas Dauerer |
[kol_4] Lauschrausch: barXino / Andy Palacio & The Garifuna Collective
![]() barXino Barcelona Mondo Beat - Nación Electrolatina K-Industria/ Exil Anarchischer Mix aus Barcelona Die mestizo-Musik aus der Multikulti-Stadt Barcelona geht in eine weitere, diesmal sehr elektronische Runde. barXino aus dem Raval (auch barri xino genannt) scratchen, samplen und loopen wild in ihrem Mix aus Salsa, Samba, Música Popular Brasileira, Rock, Rai, Rumba, Cumbia, Flamenco, Funk, Reggae und Rap. Das Kollektiv mit Musikern aus Kolumbien, Argentinien, Brasilien, den Kanarischen Inseln und Italien verzerrt die Klänge kubanischer Montunos oder südamerikanischer Candombe-Trommeln, jagt sie durch die Schaltkreise und lässt sie mit donnernden Breakbeats wieder raus.
Viele dieser Klangkombinationen hat man bei anderen Gruppen schon gehört, aber der Anteil an Elektronik- und Rockelementen ist hier eindeutig höher. Alles wird verbunden durch Interviewstimmen, Radioschnipsel und andere Klänge, so dass eine große, äußerst tanzbare Klangcollage entsteht, die auch einige ruhige Momente hat ("El detective del ritmo"). Andy Palacio & The Garifuna Collective Wátina Cumbancha/ Exil Kleines Land, große Musik Andy Palacio ist das musikalische Aushängeschild des afro-karibischen Volkes der Garífuna, das an der Atlantikküste von Belize, Guatemala und Honduras lebt. Für "Wátina" hat Palacio, der vor allem mit der moderneren Version des belizischen Musikstils punta, dem sog. puntarock, Erfolge feierte, eine generationenübergreifende Musikertruppe um sich geschart: sowohl alte, traditionelle Sänger wie Paul Nabor sind dabei, als auch viele jüngere E-Gitarristen und Bassisten. Die musikalische Bandbreite reicht von ruhigen afro-karibischen Liedern, die in der Kirche gespielt werden ("Baba"), sich aber nicht so anhören, über Wiegenlieder ("Gaganbadibá") und tanzbare Songs ("Beiba") bis zu wunderschönen akustischen Balladen ("Sin precio"/ "Ayó da"), die auf den traditionellen Genres punta und paranda, einem Lied-Genre, bei dem die meist kritischen Texte einen informativen Charakter besitzen, basieren.
Moderne afro-karibische Musik in Form von relaxten Songs mit kritischen Texten: so verhilft Andy Palacio Belize zu einem Platz auf der Weltmusik-Karte und seinem Volk hoffentlich zur Rettung seiner Kultur. Text: Torsten Eßer Fotos: EXIL MUSIK |