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[kol_3] Spanien: Was für ein Karneval!?
Sonntagsumzug in Rosas
 
Den Rosenmontagszug mochte ich, am liebsten noch verkatert, im WDR am TV verfolgen. Die beiden Moderatoren bzw. Kommentatoren – sobald einer von beiden für einen längeren Moment mal nichts sagte, war klar, er ist Bier holen – kündigten gefühlte 20 mal die grünen Funken an, mussten aber dem Quantum Spiritus Farbtribut zollen. Ach ne, es sind wohl eher die blauen, die gelben oder wohl doch roten. Egal, Hauptsache sie feiern irgendein Jubiläum.

Trotzdem war es ein gutes Gefühl in Köln zu sein und gegen Ende des Zuges den WDR WDR sein zu lassen und wieder durch die Kneipen zu ziehen. Nun sitze ich in Katalonien und der Karneval ist fern, bis uns Freunde überreden, am Karnevalssonntag um 12 Uhr mittags in Rosas dem Umzug beizuwohnen.



Rosas ist Karnevalshochburg. Von Weiberfastnacht bis Rosenmontag finden diverse Umzüge, Konzerte und Kundgebungen statt. Beginn ist am Donnerstag um 21.30 Uhr mit dem Willkommenheißen seiner Majestät dem König, Schluss am Montagabend mit der Beerdigung der Sardine.

Auf dem Weg nach Rosas herrscht Verkehr bereits ab Figueras. Sonntags zu dieser Jahres- und Uhrzeit sind normalerweise nicht allzu viele Autos unterwegs. Außer ein paar Besuchern des Wochenmarkts. Kurz vor Rosas kommt der Verkehr ganz zum Stillstand und wir brauchen für die letzten Meter bis zum Ortseingang 20 Minuten, wo uns dann ein Parkplatz zugewiesen wird. Auf dem Weg zur Strandpromenade passieren wir den Wagenaufstellplatz; es haben sich bereits endlich viele Boxenmonster versammelt, die geballte Partystimmung durch die Gassen hämmern.

Und dann geht’s los und Fußvolk wie Wagenlenker lassen von der ersten Minute keinen Zweifel aufkommen, dass sie seit drei Tagen ohne nennenswerte Unterbrechung den Karneval leben. Die immer gleichen Evergreens heizen ein: La Bomba, Princesa, Chocolate, Alcohol. Und natürlich der aktuelle Dancefloor Knaller: Manos arriba / cintura sola / media vuelta / danza con duro (die hände zum himmel / die hüfte allein / halbe drehung / veitstanz).



Damit die Meute nicht schlapp macht, hat ein jeder Wagen eine Zapfanlage und einen Grill installiert, auf dem Pinchos braten. Doch irgendetwas stimmt hier nicht. Irgendetwas lässt den Jecken aus Köln ins Leere schunkeln, ins Leere prosten und ins Leere trinken. Aha! Es gibt nix!

Wir sehen uns konfrontiert mit einem zwei Klassensystem: Ekstase und frisch Gezapftes auf der einen Seite, stilles, antialkoholisches Verfolgen der Zeremonie auf der anderen Seite. Die Zuschauer sind nicht Teil des Umzugs, sie sind Voyeure, wenige verkleidet. Fliegende Händler, mitgebrachte Fässchen oder Apfelkorn – alles Fehlanzeige. Das war durchaus eine ganz neue Erfahrung. Um nicht ganz ernüchtert Heim zu kehren, steuerten wir ein ländliches Restaurant mit Buffet an. Und so stellte sich das Völlegefühl dieses Jahr Karneval zum ersten Mal aufgrund von fester Nahrung ein.

Fazit: Falls ich im nächsten Jahr noch einmal die Karnevalszeit in unserem Dorf Vilagorda verbringen sollte, bleibt mir entweder den wilden Samstagabendumzug in Rosas zu erproben – laut unserer Freunde ist dieser Party pur – oder mich in unserem Dorf mit den Karnevalsjecken anzufreunden, die mit eigenem Wagen in Rosas am Start sind und mich so unter die ausgelassenen Partyschlümpfe, -pfauen, -boxer, -fischerinnen etc. zu mischen. Oder ich schau wieder WDR.

Text +Fotos:
Maria Josefa Hausmeister

Galerie Karneval in Rosas 2012

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