ed 03/2010 : caiman.de

kultur- und reisemagazin für lateinamerika, spanien, portugal : [aktuelle ausgabe] / [startseite] / [forum] / [archiv]


[kol_1] Grenzfall: Wo bitte ist der Strand...?
 
Ein typischer Anfängerfehler von Leuten, die nach Buenos Aires reisen, ist, dass sie felsenfest davon überzeugt sind, der Strand läge quasi direkt vor der argentinischen Hauptstadt. Nun ja, so ganz falsch ist diese Vermutung zunächst auch gar nicht, denn die Stadt liegt ja tatsächlich am Wasser: Der mächtige Río de la Plata, ein Zusammenschluss des Río Paraná und des Río Uruguay - an manchen Stellen über 200 Kilometer breit und somit der breiteste Strom der Welt (darauf sind die Porteños mächtig stolz) - wälzt sein eisen- und lehmhaltiges Wasser direkt an Buenos Aires vorbei in den Atlantik. Deshalb lädt das Wasser rund um die argentinische Metropole auf den ersten Blick so gar nicht zum Baden ein. Eine braune Brühe schlängelt sich mühsam die argentinische auf der einen und die uruguayer Ufer auf der anderen Seite hinab.

Garadel, Evita und Maradona [zoom]
Ehemaliges Kranhaus [zoom]

Besonders lustig wird es, wenn Kreuzfahrtschiffskapitäne ihrer Klientel den breiten Fluss aus nächster Nähe zeigen wollen. Der Río de la Plata ist an vielen Stellen nicht wirklich tief, und wenn der Kapitän eine der extra ausgehobenen Fahrrinnen nicht erwischt und der Strom obendrein mal weniger Wasser aufweist, dann kommt es vor, dass so ein Koloss buchstäblich in der Scheiße feststeckt.

Von der Innenstadt aus geht es eigentlich ruck-zuck ans Wasser. Man braucht ja nur die Avenida Belgrano bis zum Ende hinunterlaufen und schon ist man im schicken Hafenviertel Puerto Madero. Aber auch da wird der unbedarfte Tourist seinen Latino-Strand vergeblich suchen. Buenos Aires ist kein Rio und auch kein Montevideo, das auf der gegenüberliegenden Seite des Río de la Plata liegt. Unternimmt der Tourist dann noch einen Abstecher ins alte italienische Arbeiterviertel Boca, um Maradonas Pralinenschachtel und die für Boca typischen bunt bemalten Wellblechfassaden aus nächster Nähe zu sehen, dann kann vergeblich suchend schnell in pure Verzweiflung münden.


Am Puerto Madero [zoom]

Hier nämlich mündet der Río Matanza, besser bekannt als Riachuelo, in den Río de la Plata und ehe man den Flusslauf überhaupt zu sehen bekommt, überfällt einen ein unangenehmer Geruch. Unmittelbar vor dem Caminito, der berühmten Touristenmeile, steht das Wasser im alten Hafen und lacht die Leute in tiefstem grünschwarz an. Badefreuden sehen irgendwie anders aus.

Es lohnt also seinen Blick gen Norden zu richten. Vicente López beispielsweise oder auch das Tigre-Delta. Zwar ist man dann schon außerhalb der Stadt in der Provinz Buenos Aires, aber wer Badefreuden sucht, der muss ein paar Meter mit Zug, Bus oder Taxi in Kauf nehmen. Ist man erst mal vorbei am nationalen Flughafen Aeroparque kann man das Badetuch innerlich schon beinahe ausrollen. Von der Libertador Gerneral San Martín braucht man nach dem Carrefour nur nach rechts abbiegen und schon steht man am Ufer des Flusses.

Bei schönem Wetter ist hier die Hölle los. Unter der Woche ist es eher ruhig, aber das grün ist trotzdem halb verbrannt und einen Sandstrand findet man hier auch nicht.

Trotzdem, halbwegs Wagemutige können sich hier in die bräunlichen Wellen werfen. Nach diesem Abenteuer kann man sich dann getrost an den verschiedenen Bars und Restaurant ein Bier oder gar ein Asado gönnen und dem bunten Treiben zuschauen.

Caminito: Touristenmeile in Boca [zoom]

Mit dem Tigre Delta ist es so eine Sache. Fast in jedem Reiseführer steht, dass man es gesehen haben muss (stimmt), wo der Strand ist, unterschlagen die Bücher aber gerne. Das liegt aber weniger an den unwissenden Autoren, sondern daran, dass es im riesigen Insellabyrinth des Deltas gar keinen richtigen Strand gibt. Und trotzdem: wenn man sich erst einmal getraut hat, in das schlammfarbene Wasser zu springen (es gibt genügend Stege und Leitern, wo man bequem hinuntersteigen kann) und auch beim Tauchen die Augen geöffnet lässt, dem mag zwar einiges seltsam vorkommen, doch ist Erfrischung garantiert. Aufpassen sollte man dann allerdings auf die vielen Motorboote, die teilweise recht sportlich durch die Kanäle heizen. Dumm nur, dass öffentliche Kioske ausschließlich an den überlaufenen Stellen stehen. Wer es also ruhiger mag, muss sich sein Strandbier selbst mitbringen.

Tigre Delta [zoom]
Badespaß [zoom]

Richtige Strände im herkömmlichen Sinne gibt‘s aber auch in Argentinien. Etwas alternative Strandliebhaber fahren nach Villa Gesell, diejenigen, die gerne gesehen werden, eher nach Mar del Plata. Bei den Schwierigkeiten, gute Strände zu finden, ist es kein Wunder, dass der argentinische Playboy auch gleich ein Stränderanking auflistet. Und fast ist verständlich: sie liegen allesamt in Brasilien.

Text + Fotos: Andreas Dauerer

[druckversion ed 03/2010] / [druckversion artikel] / [archiv: grenzfall]


© caiman.de: [impressum] / [disclaimer] / [datenschutz] / [kontakt]