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[art_3] Spanien: Die Nordküste Mallorcas im Winter
Zwischen Einsamkeit, Alt-Hippies und Stereotypen

Ruhig muss es sein. Und warm. Vielleicht auch noch ein bisschen Meer, selbst wenn man schon sehr hartgesotten sein muss, um im Winter irgendwo am Mittelmeer Badefreuden zu frönen. Artá also. Ein kleiner Ort im Nordosten Mallorcas, nur knapp 8000 Einwohner, verwinkelte Gassen mit Einbahnsystem, nicht direkt am Meer, ein paar Hügel drumherum, um ausgiebige Spaziergänge zu unternehmen und dennoch so gut gelegen, um die Nordküste schnell und unkompliziert mit dem Auto zu erreichen. Und natürlich herrschen hier selbst tagsüber Temperaturen um die 15 bis 18 Grad. Soweit, so stimmig.


Ich hatte ein kleines Hotel gebucht, nicht zu viele Zimmer, keine Bettenburg, wobei es die in Artá ohnehin nicht gibt. Es sind augenscheinlich noch drei weitere Gästepaare da. Alles fest in deutscher Hand. Kurz muss ich mich wundern. Klar, da war doch was mit dem 17. Bundesland und der Deutschen liebster Insel. Aber es hätte doch trotzdem zum Beispiel ein Franzose da sein können, oder? „Bei den Deutschen sind wir schon sehr beliebt und 90 Prozent unserer Gäste kommen auch von dort“, erklärt mir Félix, der nickelbebrillte Juniorchef des Hotels. Nun denn… Draußen ist es so ruhig, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nebensaison, ein paar unerschrockene Touristen. Die Fußgängerzone, gleichzeitig Haupteinkaufsflaniermeile, hat auf ihren 300 Metern nicht nur zahlreiche Geschäfte, diese haben auch fast alle geöffnet. Die Spanier trotzen also dem Winter und legen sich nicht wie die Murmeltiere hin und warten auf den nächsten Frühling, denke ich bei mir. Bunte Schilder in der hiesigen Landessprache und Mallorquí wollen mich überzeugen, dass ich im Urlaub bin. Die Ernüchterung folgt dann aber in den Boutiquen und Souvenirläden. Nicht nur, dass hier einerseits Batikkrismkrams angeboten wird, nein, auch alle Marken aus der Berliner Hipster-Szene sind zu finden. Die Verkäuferin mit den Dreadlocks fragt mich dann auch ohne Umschweife, ob wir uns nicht kennen und ich aus Hamburg-Eppendorf stamme. Dreads, Hippie-Hosen, angesagte Markenware und früher im feinen Hamburger Viertel gelebt. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt.

Bei einem gemütlichen Kaffeeplausch mit Einheimischen frage ich nach, was es mit der teutonischen Einwanderung hier auf sich hat. Man klärt mich auf, dass Artá einst eine kleine Aussteigerhochburg gewesen sei. Und die Reminiszenzen kann man hier eben noch hautnah bewundern. Die meisten seien aber gut integriert in die Gemeinde und könnten neben Spanisch auch Mallorquí sprechen, versichert man mir.

Das mit der Integration ist aber so eine Sache, wenn man etwa zu den Küstenorten ans Meer fährt. Um diese Jahreszeit sind sie total ausgestorben, die Bewohner bleiben dann unter sich, die Alten versammeln sich auf einen Plausch am Hauptplatz und der Rest geht ins Café.

Alcúdia, Port de Pollença oder Cala Ratjada sind solche Orte, wobei ersterer noch einen großen Hafen besitzt und letzterer definitiv das charmanteste Örtchen dieser Aufzählung ist. Da ist es dann durchaus wahrscheinlich, dass man im Winter im Café einen Querschnitt deutscher Auswanderer antrifft. Karl-Heinz aus Duisburg, Ende 50, braungebrannt und in kurzer Hose debattiert mit seinem Lederhaut-Gegenüber in den Mittsechzigern lautstark über die Vormachtstellung des FC Bayern München gegenüber der Konkurrenz. Kalle ist Schalker, Lederhaut drückt den Dortmundern die Daumen, auf dem leeren Stuhl daneben liegt die Bild. Dahinter sitzt eine Gruppe am Dreiertisch, zwei Frauen noch gut zehn Jahre von der Pensionsgrenze entfernt und ein älterer Herr mit sauber zurückgegelten Haaren, einem weißen Hemd, das ausladend aufgeknöpft ist. Zum Stereotyp fehlt nur noch die goldene Kette, die er statt um den Hals, am rechten Handgelenk trägt. Er schlürft einen Weißwein, die Damen unterhalten sich, wie viel schöner es sich hier auf Mallorca leben lässt und dass man froh ist, hier die Winter verbringen zu können. Der Mann nickt manchmal, schweigt aber beständig.


Alltag in mallorquinischen Cafés um diese Jahreszeit. Und auch gar nicht schlimm. Man muss es einfach nur wissen und vor der Reise vielleicht auch mal kurz nachlesen, wohin man da eigentlich fährt. Dabei ist es durchaus interessant, was aus einer kleinen Insel in der kühleren Nebensaison so wird, wenn die Einheimischen zum Luftholen für die nächste Saison ein wenig leiser treten. Wobei, leiser? Eigentlich sieht man sie ja gar nicht…

Text + Fotos: Andreas Dauerer

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