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[art_2] Bolivien: Zu Besuch im TIPNIS-Park - Teil 2
Zwischen Coca und peruanischen Schwestern
 
Nachdem wir den triumphalen Einmarsch der TIPNIS-Indios in La Paz miterlebt haben (Teil 1), wollen wir uns nun die Situation vor Ort angucken. Wir sind in Trinidad, einer schwül-heißen Wild-West-Stadt im bolivianischen Amazonasdschungel. Von hier wollen wir nach Santissima fliegen, dem kleinen Örtchen mitten im TIPNIS-Park. Doch als wir am frühen Morgen den Flugzeughangar betreten, um wie vereinbart in einem kleinen Viersitzer Platz zu nehmen, winkt der Pilot nur ab. Am Vortag haben sich die Armee und kolumbianische Drogenhändler ein blutiges Feuergefecht dort geliefert. Jetzt will niemand den Flug wagen.

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Wir reisen stattdessen nach Santa Cruz de la Sierra weiter. Von hier aus soll es ebenfalls Flüge nach TIPNIS geben. Tatsächlich finden wir einen erfahrenen Piloten, der das Abenteuer wagt. Beim Einstieg in seine kleine Cessna werden wir vom Militär gefilzt. Immerhin, so sagt man uns, seien wir auf dem Weg in Boliviens Kokain-Region. Hoch in der Luft berichtet uns der Pilot über seine 25 Jahre Flugerfahrungen im bolivianischen Tiefland, darüber, dass es keine Radarüberwachung der gesamten Region gebe, dass letztlich niemand wisse, woher und wohin die Flugzeuge hier unterwegs seien. Ein Paradies also für Drogenhändler.

Als wir nach gut einer Stunde Flug in Santissima ankommen, werden wir bereits erwartet. Schon als das kleine Flugzeug sanft auf der Graspiste von Santíssima aufsetzt, sehen wir die Menschentraube. Die fünf Schwestern des peruanischen Ordens "Jesus, Verbo y Victima" haben gut 50 Kinder aus der Schule des Urwalddorfes mit an die Landebahn gebracht. Freudiges Winken und Händeschütteln; dann klettern die Kinder neugierig auf den Tragflächen der Cessna herum.

Wir haben es nach TIPNIS geschafft, Boliviens letztem Urwaldparadies, dessen Schutz sich derzeit so viele Menschen auf ihre Fahnen geschrieben haben. Sieben Bewohner aus Santíssima haben an dem Marsch nach La Paz teilgenommen, der Präsident Evo Morales dazu gezwungen hat, den Bau einer Fernstraße mitten durch den Park zu stoppen. Zurück sind die Helden noch nicht. Heute oder morgen wollen sie aus La Paz aufbrechen. Ihre Frauen und Kinder erwarten sie bereits sehnsüchtig.

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Seit 2001 leben die Schwestern in Santíssima, von wo aus sie per Kanu und Allradwagen das riesige Gebiet seelsorgerisch betreuen. Jetzt kurz vor der Regenzeit mussten sie das Allradfahrzeug nach Cochabamba bringen. Hier nützt es ihnen nichts mehr, steigt doch der Wasserpegel derart hoch, dass das Dorf zu einem Eiland inmitten eines riesigen Sees wird, aus dem nur noch die Baumkronen herausragen.

Nur wenige Meter von der Dorfkirche entfernt verläuft eine schmale Erdstraße durch die Ansiedlung. Gut ein Drittel des Naturparks wird von ihr durchzogen. Links und Rechts haben sich bereits "colonos" angesiedelt, darunter viele Hochlandindios, die in den 70er und 80er Jahren hierher gekommen sind. Vor ihren Häusern trocknen auf riesigen Plastikplanen Berge von Cocablättern. Wir wollen mit den Bewohnern reden, doch die Schwestern raten uns davon ab. Der Streit um die Fernstraße hat auch das Dorf gespalten.

Nach den Plänen der Regierung sollte die durch das Dorf führende Erdstraße zu einer breiten Autobahn ausgebaut werden, die TIPNIS in der Mitte durchquert und die an den beiden Endpunkten liegenden Städte San Ignacio de Moxos und Villa Tunari miteinander verbindet. Die Hochlandindios, die als "Cocaleros", als Cocabauern, ihren Lebensunterhalt verdienen, wollen die Straße. Die Gegner des Projektes befürchten, dass demnächst noch mehr Cocaleros hier siedeln werden, sollte die Straße den derzeit unzugänglichen Teil von TIPNIS ebenfalls erschließen.

Die Schwestern erzählen uns von den dort lebenden Indios, die bisher von der modernen Welt nahezu unberührt leben. Oftmals sind sie fünf oder sechs Stunden mit dem Kanu unterwegs, um die entlegenen Dörfer zu erreichen, in denen sie Katecheten ausbilden. Unterstützt werden sie dabei von Adveniat. Sie wissen, dass die Straße auch Vorteile hätte, die Versorgung von Kranken erleichtern und die Preise für Lebensmittel und Gebrauchsgüter senken würde. Doch die Nachteile überwiegen, meinen sie. Leichte Zugänge bringen viel Übel mit sich.

Am Nachmittag, als wir wieder Richtung Santa Cruz de la Sierra zurück fliegen, sehen wir, was sie meinen.

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Über dem Urwald liegt dichter Rauch, die bis hier hoch in das Innere des Flugzeugs dringt. Der Urwald wird abgebrannt, um Platz für neue Felder zu machen. Cocafelder meist, denn das hier ist das ideale Terrain für die Cocapflanze. Zum Verzehr eignen sich die hier angepflanzten Blätter jedoch nicht, da sie zu bitter sind. Einzig für die Produktion von Kokain. Zurück in der Zivilisation erfahren wir, dass Präsident Morales den Park soeben für "unantastbar" erklärt hat. Ob das die Rettung für TIPNIS bedeutet? Wir können es nur hoffen.

Text + Fotos : Thomas Milz

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