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[art_2] Spanien: Antequera - Der Felsen der Verliebten
Vor den Toren der romantischen Kleinstadt Antequera in Andalusien liegt ein Felsen, der als Gipfel der Romantik eigentlich ein Pilgerort für Liebende aus aller Welt sein müsste. Und das nicht nur deshalb, weil dieser enorme, 880 Meter hohe, Felsblock sehr dekorativ vor dem Stadtpanorama posiert - so als hätten ihn moderne Stadtplaner dorthin gebaut. Nein, schon seit Ewigkeiten grüsst diese Kalksteinformation alle Reisenden, die sich von Nordwesten her Antequera nähern.
Dieser "Felsen der Verliebten" hat seinen Namen auch nicht daher, weil im Sommer die Liebespaare aus Antequera sich hier zu heißen Klettertouren verabreden würden, sondern weil eine alte Legende ihn zum Mekka von unglücklich Verliebten und unerfüllbaren Sehnsüchten gemacht hat. Die Legende aus dem frühen 15. Jahrhundert erzählt die Geschichte von Tello und Tagzona - nichts weniger als das leidenschaftlichste Liebesdrama aller Zeiten.
Es begab sich in der Epoche der Kleinkriege und Grenzscharmützel zwischen Christen und Mauren, als Antequera noch zum muslimischen Königreich Granada gehörte, dass der christliche Ritter Tello in maurische Gefangenschaft geriet und in einen Kerker geworfen wurde. Die neugierige maurische Prinzessin Tagzona, Tochter des Kommandanten, machte einen Rundgang, um die neu angekommenen Gefangenen zu besichtigen. Und als sich im Dämmerlicht des Kerkers die Blicke der Beiden trafen, war es Liebe auf den ersten Blick. Wie sie sich ansonsten verständigten, ob Tello arabisch oder Tagzona kastilisch sprach, ist nicht bekannt. Jedenfalls befreite die Prinzessin eines nachts heimlich ihren Ritter und dem Liebespaar gelang die Flucht. Am nächsten Morgen wurde diese bemerkt und der wutentbrannte Vater Tagzonas ließ sie von einem Trupp Bogenschützen verfolgen. Damals war eine christlich-muslimische Liebesbeziehung für die Eltern nicht zu akzeptieren.
Als die Liebenden Tello und Tagzona an das Felsmassiv gelangten, beschlossen sie, empor zu klettern, in der Hoffnung, dass die Reiter ihnen dorthin nicht folgen können würden. Doch sie hatten die Reichweite der Bogenschützen unterschätzt. Als sie auf dem weitgehend unbewachsenen Fels entdeckt und umzingelt waren, kletterten sie immer höher, während die Pfeile ihrer Verfolger dicht neben ihnen durch die Luft sausten. Schließlich standen sie am höchsten Punkt des Felsens vor dem Abgrund. Es schien nur zwei Möglichkeiten zu geben: entweder von Pfeilen durchbohrt zu werden oder sich zu ergeben, gefangen genommen und für immer getrennt zu werden. Sie entschieden sich für den dritten Weg - ein tiefer Blick in die Augen, ein endloser Kuss - dann sprangen Tello und Tagzona in enger Umarmung aus 880 Metern Höhe in den gemeinsamen Liebestod.
"Romeo und Julia" gleicht dagegen einer seiten Romanze. Hätte Shakespeare statt der italienischen Vorlage diese andalusische Version bedingungsloser Liebe über Feindesgrenzen hinweg gekannt, würden Romantiker aller Länder schon seit Jahrhunderten nicht nach Verona, sondern nach Antequera pilgern.
Dabei war die Legende im 15. Jahrhundert zumindest in Spanien bekannt und populär, wie uns ein Eintrag im Bordbuch des Kolumbus beweist, der über einen Felsen auf der neu entdeckten Insel Hispaniola notiert, er sähe ähnlich aus wie der Felsen der Verliebten bei Antequera.
Ob dieser dramatische Hügel nun wirklich aussieht (so behaupten viele Beschreibungen) wie das liegende, zum Himmel schauende Gesicht eines Menschen, hängt wohl von dem Vorstellungsvermögen jedes einzelnen Betrachters ab.
Die Legende vom Felsen der Verliebten hat jedenfalls zahllose spanischsprachige Gedichte und Theaterstücke inspiriert; auch der große Cervantes präsentiert im fünften Kapitel seines "Don Quijote" eine sehr ähnliche Geschichte - allerdings mit glücklichem Ende.
Und so ist bis heute in Antequera ein beliebtes Thema für Schulaufsätze oder Literatur-Wettbewerbe das Verfassen von alternativen (und meist glücklichen) Ausgängen für diese pathetische Liebesgeschichte. Viele suchen die Inspiration für ihre Legenden der Leidenschaft in unmittelbarer Nähe von Antequera.
Im Tourismus-Büro von Antequera wurde ich jedoch gewarnt, dass eine Besteigung des Felsens verboten sei und dass die Guardia Civil manchmal Kontrollgänge durchführen würde, um ungebetene Besucher, Dichter am Rande des Wahnsinns (und potentielle Selbstmörder) vom Gipfel fern zu halten. Vielleicht will man aber auch einfach nur vorbereitet sein auf den erhofften Ansturm der Romantiker.
Letztendlich kann man sich aber damit trösten, dass dieser Felsen von weitem schöner anmutet als direkt davor stehend. Den schönsten Blick auf den spektakulären Kalksteinfelsen hat man von der Alcazaba und von der hoch gelegenen Gasse Nina de Antequera hinter der Alcazaba, sowohl bei Sonnenaufgang als auch in der Abenddämmerung, wenn er im Licht der untergehenden Sonne rötlich schimmert.
Text + Foto: Berthold Volberg
Sehenswertes:
Anfahrt mit dem Zug nach Antequera
Von Málaga (Fahrt dauert ca. 30 Minuten)
Von Sevilla (knapp 2 Stunden)
Von Madrid (mit dem AVE, 3 Stunden)
Monumente
Alcazaba von Antequera:
Öffnungszeiten: Di.-Fr. 10.30-14.00 und 16.00-18.00, Sa. + So. 11.30-14.00,
Eintritt Frei (Mo. geschlossen)
Dólmenes (Grabtempel)
Öffnungszeiten: Di.-Sa. 9.30-18.00, So. 9.30-14.30, Mo. geschlossen
Eintritt Frei
Museo Municipal
Öffnungszeiten: (z.Z. wg. Restaurierung geschlossen)
Ausflug in den Naturpark "El Torcal"
Ein Taxi (außer Leihwagen oder Fahrrad die einzige Möglichkeit) zur spektakulären Berglandschaft des Naturparks "El Torcal" (ca. 20 Kilometer gen Süden) kostet 40,- € und man startet am besten von der Stierkampfarena an der Puerta de Estepa aus.
Empfehlungen:
Hostal Colón
C. Infante Don Fernando 29-31, Tel. ++34-952840010
Sehr schönes altes Hotel in bester Lage mit einfachen, sehr preisgünstigen Zimmern und sehr freundlichem und hilfsbereitem Empfang.
Hostal + Restaurante Plaza San Sebastián
Plaza San Sebastián 4; Tel. ++34-952844239
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Restaurante La Giralda
C. Mesones 8-10, Tel ++34-952845860
Email: lagiralda@conexanet.com
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Geöffnet 12 Uhr-16 Uhr und 20 Uhr-23.30 Uhr, montags geschlossen
Schönes Restaurant mit sehr netter Bedienung
Spezialitäten: Lammfleisch, rotes Fleisch vom Grill und Wild; Crepes und "Delicatessens" (köstliche kleine Überraschungen); gute Weinkarte
Meson Juan Manuel
C. San Agustin 1, Tel. ++34- 952843484,
geöffnet 13 Uhr-17 Uhr und 20 Uhr-24 Uhr,
Rustikales Ambiente, mittags ein leckeres und großzügiges Tagesmenü,
Spezialiäten: Geflügel, "Porra Antequerana" (die hiesige Version des "Salmorejo", eine Art cremiges "de luxe Gazpacho"), Fleisch vom Grill
El Angelote
C. Encarnación"/ Ecke "Coso Viejo", Tel. ++34-952703465
Edles Restaurant der gehobenen Preisklasse, untergebracht in altem Palast,
breit gefächerte Spezialitätenangebot und Weinkarte
Cafetería La Mandrágora
Plaza Las Descalzas 1, Tel. ++34-952845743
Email: elpadrinodemenga@hotmail.com
Eine Tapas-Bar / Cafetería für vorwiegend junges, teils alternatives Publikum, mit leckeren + sehr preisgünstigen Tapas + Kuchen + Crepes und mit sehr geschmackvoller Musik-Berieselung (Flamenco, Jazz, Blues).
Quellen:
"El Angelote”- Periodico turistico de Antequera, Nr. 4 (2010) "Comarca de Antequera - más cerca de tí" (Guía de profesionales 2010)
[druckversion ed 01/2011] / [druckversion artikel] / [archiv: spanien] |
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